Psychosoziale Beratung unterstützt die Eigenbemühungen einer Person, ihre Verhaltens- und Erlebensmuster weiterzuentwickeln und die persönliche Befindlichkeit, die Interaktion mit dem Beziehungsumfeld sowie die Bewältigung anstehender Lebensaufgaben zu verbessern. Dabei liegt der Fokus der Beratungen auf dem selbstbestimmten, eigenverantwortlichen sowie gemeinschaftsbezogenen Denken, Fühlen und Handeln der Person.

Ziel der Psychosozialen Beratung

Die Psychosoziale Beratung bietet eine professionelle Unterstützung bei Entscheidungs- und Veränderungsprozessen, bei Fragen der Sinnfindung, bei Krisenverarbeitung, bei Klärung von Konflikten, bei der Bearbeitung von Gefühlen, Denk- und Wahrnehmungsmustern sowie bei der Förderung von Beziehungsfähigkeit und Bewusstheit. Dabei ist das Ziel der Psychosozialen Beratung, den aktuellen Leidensdruck zu lindern, die vertrackte Situation überschaubar zu machen und neue Wege und Handlungsmöglichkeiten für konstruktive Lösungen zu finden.

Felder und Arten der Psychosozialen Beratung in Abgrenzung zu anderen Formen der Beziehungsarbeit

Psychosoziale Beratung ist eine Dienstleistung, die ihre Aufgabe über eine klare Vereinbarung in einem formulierten Kontext definiert. Sie findet Anwendung bei der Begleitung von Einzelpersonen, in der Paar- und Familienberatung und in Organisationen. Sie richtet sich an Personen und Gruppen, die ihr Leben insgesamt selbstständig bewältigen, jedoch zu einzelnen Themenbereichen und Fragen, zu Entwicklungsproblemen und Lebenskrisen Unterstützung suchen. Dabei bietet sie Reflexions-, Orientierungs-, Planungs-, Entscheidungs- und Handlungshilfe, arbeitet ressourcenorientiert und wirkt präventiv, problemlösend und entwicklungsfördernd.

Von anderen Beratungsformaten unterscheidet sie sich dadurch, dass sie sich auf Anliegen des Menschen in seinem sozialen Kontext fokussiert. Sie arbeitet an den Inhalten, am Prozess und den Zielen, für die der Klient, die Klientin Beratung sucht. Gegenüber Medizin und Psychotherapie macht sie ein Hilfs- und Unterstützungsangebot, keines, das Heilung anstrebt, sondern Entwicklung von Kompetenzen in verschiedensten Bereichen. Psychosoziale Beratung betrachtet deshalb die Probleme ihrer Klientel aus der Perspektive von Konflikt- und Desorientierungserfahrungen und deren Bewältigung und nicht aus der Sicht von Krankheitskonzepten.

Beratungsverständnis

  1. Beratung/Counselling ist eine vereinbarte Unterstützung von Personen, Gruppen oder Organisationen in einem formulierten Kontext. Selbstbestimmtes, eigenverantwortliches sowie gemeinschaftsbezogenes Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen, bzw. die funktionale Entwicklung einer Organisation sind das Hauptanliegen von Beratung.
  2. Beratung/Counselling bietet professionelle Unterstützung an bei Entscheidungs- und Veränderungsprozessen, bei Fragen der Sinnfindung, bei Krisenverarbeitung, bei Klärung von Konflikten, bei der Bearbeitung von Gefühlen, Denk- und Wahrnehmungsmustern, bei der Förderung von Beziehungsfähigkeit und Bewusstheit.
  3. Beratung/Counselling ist eine Dienstleistung, die ihre Aufgabe über eine klare Vereinbarung definiert. Die Tätigkeitsfelder der Beratung sind vielfältig: ihre Schwerpunkte sind personen-, aufgaben- oder kontextbezogen.

Die Definition des Begriffs «Psychosoziale Beratung»

Eine erste Definition des Begriffs lieferte Horst-Eberhard Richter in seinem 1978 erschienenen Buch «Engagierte Analysen». In dem schreibt er: «Psychosoziale Beratung sieht den Menschen in seinem gesamten psychosozialen Zusammenhang, verstrickt in innere Konflikte wie in soziale Schwierigkeiten mit Partnern und Bezugsgruppen im privaten Bereich und in der Arbeitswelt.»

2003 definierte die Arbeitsgemeinschaft Beratungswesen das Format in einer ausführlichen Darstellung folgendermassen: «Sie (die Psychosoziale Beratung) befasst sich auf einer theoriegeleiteten Grundlage mit unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben und multifaktoriell bestimmten Problem- und Konfliktsituationen.»(…) «In dem dialogisch gestalteten Prozess, der auf die Entwicklung von Handlungskompetenzen, auf die Klärung, die Be- und Verarbeitung von Emotionen und auf die Veränderung problemverursachender struktureller Verhältnisse gerichtet ist, sollen erreichbare Ziele definiert und reflektierte Entscheidungen gefällt werden, sollen Handlungspläne entworfen werden, die den Bedürfnissen, Interessen und Fähigkeiten des Individuums, der Gruppe oder Organisation entsprechen, sollen persönliche, soziale, Organisations- oder Umweltressourcen identifiziert und genutzt werden, um dadurch selbst gesteckte Ziele erreichen oder Aufgaben gerecht werden zu können und soll eine Unterstützung gegeben werden beim Umgang mit nicht behebbaren / auflösbaren Belastungen.»

Entwicklung und Differenzierung der Psychosozialen Beratung

Erste Beratungsangebote entstanden in Mitteleuropa in den 1920er-Jahren. In der Schweiz begannen beispielsweise engagierte Lehrkräfte, Jugendliche bei der Berufswahl zu unterstützen. Beratung wurde auch zu Fragen von Erziehung und Partnerschaft angeboten. Sie hatte primär eine aufklärende Funktion und vermittelte Wissen zu Lebensbereichen, in denen tradierte Erfahrungen und Kenntnisse nicht mehr den aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen entsprachen.

Nach dem 2. Weltkrieg und vor allem in den 60er Jahren entwickelte sich ein breites Beratungsangebot. Dies gilt auch für die Psychosoziale Beratung. Sie begann, für verschiedene Alters- und Zielgruppen Aufgaben zu übernehmen.

Alters- und Zielgruppen:

  • Drogen- und Alkoholabhängige
  • Opfer von Gewalt und Missbrauch
  • Obdachlose
  • Trauernde
  • Paare, Familien, Jugendliche, Betagte
  • Frauen, Männer usw.

Und sie kümmerte sich um Menschen in besonderen Anforderungs- und Problemsituationen und deren Fragen zu:

  • Erziehung
  • Sexualität
  • Lebensbewältigung
  • Bildung
  • Interkulturalität, Migration
  • Gesundheit
  • Konflikten
  • Trennung, Scheidung
  • Schulden usw.

Psychosoziale Beratung wurde von Fachkräften geleistet, die über das notwendige Wissen im Problemfeld der Klientinnen und Klienten verfügten. Gesundheitsberatung wurde von Pflegenden wahrgenommen, Erziehungsberatung von Pädagoginnen und Pädagogen, Paar- und Familienberatung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Zusätzlich zu ihrer Feldkompetenz begannen diese Berufsgruppen jedoch beratungsrelevante Kenntnisse und Methoden zu nutzen. Sie übertrugen Wissen zur förderlichen Gestaltung von Beziehungen, Kommunikations-, Lern- und Veränderungsprozessen von neuen psychologischen und pädagogischen Ansätzen auf ihre spezifische beraterische Arbeit, so von A. Adler ab 1920 oder C. Rogers ab 1940.

Es zeigte sich, dass Klientinnen und Klienten von Sachinformation allein hinsichtlich ihrer Anliegen oft nicht genügend profitieren. Die Beratenden begannen vermehrt ein Handlungsrepertoire einzusetzen, mit dem sie Klientinnen und Klienten in ihrem Prozess begleiten und damit die Wirksamkeit der Beratung erhöhen konnten. Damit hatte sich die bis heute gültige Doppelverortung von Psychosozialer Beratung etabliert.

Die Berater:innen verfügen über:

  • Beratungs- und Interaktionskompetenz (Wissen und Können im Bereich Kommunikation, Entwicklung und Veränderung, Beratungsmethodik usw.)
  • Handlungsfeldspezifische Kompetenz (Wissen und Können zur Problemlage: z.B. zu Bildung, zur Gestaltung von Lebensphasen und Übergängen, Paar- und Familiendynamik, Drogenabhängigkeit usw.)

Theoretische Grundlagen der Psychosozialen Beratung

Da Beratungskompetenzen von den Anfängen her in verschiedenen Arbeitsfeldern Anwendung fanden (u.a. Pädagogik, Sozialarbeit, Seelsorge, Medizin), wurden ihre theoretischen Grundlagen nebst denen aus psychologischen Schulen und Konzepten auch von diesen Disziplinen selbst gespiesen. Wesentliche Einflüsse kamen zudem von Wissenschaften ausserhalb der Praxisfelder, beispielsweise aus der Anthropologie (vgl. Gregory Bateson zu Kommunikation), der Soziologie (vgl. Niklas Luhmann zu sozialen Systemen) oder den Neurowissenschaften (vgl. Antonio Damasio, Gerald Hüther, Manfred Spitzer zu Hirnentwicklung, Lern- und Entscheidungsprozessen). Die Konzepte und die Praxis heutiger Psychosozialer Beratung sind deshalb interdisziplinär fundiert.

Beratungsansätze und Beratungskonzepte der Psychosozialen Beratung

Unter einem Beratungsansatz (oder –verfahren) wird ein hinreichend konsistenter, umfassender, detaillierter, eindeutig formulierter, begründungsstarker Handlungsansatz verstanden, der eine gewisse Verbreitung erreicht hat. Die Vielfalt der Verfahren ist heute gross. Dies hat wesentlich damit zu tun, dass Menschen und ihre sozialen Umwelten vielfältig und damit auch sehr unterschiedlich ansprechbar sind. Lern- und Veränderungsprozesse können auf mannigfache Weise initiiert und unterstützt werden. Dieser Pluralismus erschwert die Beurteilung der Qualität einzelner Beratungsansätze, was ansatzübergreifende Standards notwendig macht. Zugleich ist die Vielfalt wünschenswert, denn sie erlaubt es den Beratenden, ihre spezifischen Kompetenzen zur Geltung zu bringen und zugleich Klientinnen und Klienten flexibel auf unterschiedliche Weise zu unterstützen. Es hat sich deshalb in den letzten Jahren durchgesetzt, dass gut ausgebildete Beraterinnen und Berater ein bestimmtes Verfahren gründlich kennen und anwenden können und darüber hinaus ein individuelles Konzept für ihre spezifischen Angebote entwickeln, anhand dessen sie ihre Arbeit gestalten und reflektieren. Dieses Konzept orientiert sich am „tree of science“, der die Darlegung und Reflexion folgender Abstraktionsebenen einfordert:

  • METATHEORIEN, GRUNDHALTUNGEN

Menschenbild, Ethik, Erkenntnistheorie, wissenschaftstheoretische Grundfragen usw.

  • ALLGEMEINE THEORIEN

Entwicklung, Lernen, Krankheit/Gesundheit, Kommunikation, Entscheidungsdynamik, Konflikte und Konfliktbewältigung, allg. Beratungstheorie usw.

  • BERATUNGSTHEORIE, SPEZIFISCHER BERATUNGSANSATZ

Veränderungs- und Lernverständnis, Beratungsprozess, Interventionsformen, Beziehungsgestaltung usw.

  • HANDLUNGSMODELL/PRAXIS

Settings, Rollenverständnis, Methodeninventar, Evaluation, Qualitätssicherung usw.

Zukunftsperspektiven der Psychosozialen Beratung

Beratung ist in zahlreichen Bereichen unserer individualisierten und durch Tempo bestimmten Gesellschaft für viele ein Bedürfnis und eine Notwendigkeit geworden (vgl. Nestmann und Engel). Da Psychosoziale Beratung ein Hilfsangebot macht, bedarf der entstandene Markt einer Regulierung, welche die professionelle Qualität und Sorgfalt der Anbieter gewährleistet. Ein wichtiger Schritt auf dieses Anliegen hin war die Gründung der Schweizerischen Gesellschaft für Beratung (SGfB) im Jahr 2006, die als Dachverband Qualitätsstandards für Ausbildungen und die Berufstätigkeit der Psychosozialen Beraterinnen und Berater festlegt und überprüft. So wurde ein neues umfassendes Qualitätslabel geschaffen, das auf dem Markt mit seinen Angeboten ordnend und klärend wirkt.

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